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Reportagen

Klassik meets Jazz

Das hannoversche Duo Markus Becker und Lutz Krajenski begeistert mit einem Mix aus Klassik und Jazz.

Wir trafen die beiden in der Wohnung von Markus Becker und sprachen mit ihnen über ihr Leben als Musiker, ihr gemeinsames Projekt und die Stadt Hannover.

Markus Becker und Lutz Krajenski

Markus Becker öffnet uns die Türen zu seiner Lister Altbauwohnung. Hier lebt der Pianist mit seiner Frau Julia, Schmuckdesignerin, den zwei jüngsten gemeinsamen Kindern – drei erwachsene Jungen aus ihren ersten Ehen sind längst ausgezogen – sowie mit der Labrador-Hündin Luna. Gleich als Erstes sticht der imposante Steinway & Sons Flügel im Wohnzimmer ins Auge. Lutz Krajenski betritt die Wohnung und verflucht die Parkplatzsituation rund um die Markuskirche. Den Hammondorgelspieler zog es vor fünf Jahren mit Frau, Kind und Hund an den Rand von Davenstedt. Dort, sagt der 51-Jährige, findet er nicht nur schnell einen Parkplatz, sondern nahe der Natur auch Ruhe und musikalische Inspiration.

In entspannter Atmosphäre erzählen die beiden über ihren musikalischen Weg und die kreative Zusammenarbeit. Becker hat durch das Vorbild seiner musikpädagogischen Eltern und die frühe Begegnung mit einem Cembalo seinen Weg zum Klavierspiel gefunden. Krajenski wurde durch das Akkordeon seines Vaters und das eigens für ihn angefertigte Kinder-Harmonium geprägt. Beide waren damals etwa vier Jahre alt. Und beide haben später nach der Schule den Ranzen in die Ecke geworfen und sich freiwillig an ihre Instrumente gesetzt. Diese frühen Erfahrungen legten den Grundstein für ihre musikalische Ausrichtung und Experimentierfreude. Sie studierten an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, in der sie heute als Lehrkräfte beschäftigt sind. „Vor etwa 15 Jahren stellte uns ein gemeinsamer Freund einander vor, weil er meinte, wir sollten unbedingt mal was zusammen machen. Das hat direkt funktioniert“, so Becker. Nach einem gemeinsamen Konzert im Kloster Loccum folgte eine Reihe erfolgreicher Auftritte.

Kreativer Austausch und Inspiration

Tastenkünstler mit Rhodes Piano und Flügel

Die Verschmelzung von Klassik und Jazz ist ein zentraler Punkt ihrer künstlerischen Zusammenarbeit. Becker und Krajenski inspirieren sich gegenseitig in einem dynamischen Austausch, der oft spontan und improvisiert ist. Ihre Fähigkeit, aufeinander zu reagieren und aus dem Moment heraus zu kreieren, macht jedes Konzert zu einem einzigartigen Erlebnis: „Was Lutz auszeichnet, ist die Lust, neue Sachen zu entdecken und Stücke selbst nach dem 30sten Konzert mit einer Begeisterung zu spielen, als sei es das erste Mal“, schwärmt Becker – und Krajenski über Becker: „Er spielt mit einer Leichtigkeit, die mich immer wieder fasziniert. Er verhält sich nie wie eine Diva und hat einen guten Humor.“ Krajenski lobt die Improvisationskunst des 61-jährigen: „Er spielt ein Klassik-Stück von Bach und irgendwann weiß man nicht mehr: Ist das jetzt noch Bach oder ist das schon Becker?“ Und dann kämen die ersten Noten, bei denen man erahne: „Das kann jetzt eigentlich nicht mehr Bach sein, weil es bereits etwas jazzig eingefärbt ist. Die Grenzen zwischen den Welten auf so eine elegante Art und Weise verschwimmen zu lassen, da kenne ich niemanden, der das so gut kann. Ich sitze dann immer auf der Bühne, mache die Augen zu und denke: Brillant!“ Becker reagiert bescheiden: „Ich spiele dir auch gern was vor, weil ich merke: Du hörst einfach immer super zu.“

Der Einfluss der Meister

Meisterhaftes auf Vinyl

Die Musik von Bach spielt eine besondere Rolle in ihren Projekten. Für Becker ist klar: „Die vielen unterschiedlichen Stimmen in seinen Werken bilden ein wunderbares Ganzes. Das ist Demokratie. Ich würde jedem Diktator heute mal so eine Zwangsbeglückung wünschen. Einfach, um zu sehen, wie vieles gleichzeitig nebeneinander existieren kann.“ Bei Becker und Krajenski bleibt die Musik in ihrer Essenz erhalten, wird aber durch persönliche Interpretationen und jazzige Elemente bereichert. „Bach ist so universell. Seine Musik bietet eine unglaubliche Grundlage für Experimente in beiden Genres“, erklärt Krajenski. Sowohl Jazz- als auch Klassikfans schätzen ihre innovativen Ansätze – besonders die Authentizität und Frische, die sie in die Musik einbringen, was zeigt, dass wahre Kunst keine genrebedingten Grenzen kennt. „Wir lassen der Musik ihre Würde, aber die Leute freuen sich heute, wenn abseits der gewohnten Pfade etwas Neues entsteht“, meint Becker. „Mit Lutz auf Entdeckungsreise zu gehen, ist für mich bei jedem Konzert einmalig.“ Auf die Frage, was einen herausragenden Pianisten ausmacht, findet Becker, dass neben der Technik die Emotionen, das Zuhören und das Eintauchen in die Musik den wahren Künstler ausmachen. „Klavier zu spielen heißt, ich öffne einen Raum, in den ich andere einlade.“ 

Markus Becker sammelt Preise und Auszeichnungen

Mehrfach ausgezeichnet:
Den begehrten ECHOklassik gab’s unter anderem für die beste solistische Einspielung von Musik aus dem 19. Jahrhundert.

Zukunftsträume und Zeiträume

Markus Becker am Steinway & Sons Flügel

Für Becker sei mit dem Auftreten auf Jazz-Festivals und den klassischen Konzertreisen bereits ein Traum in Erfüllung gegangen. Im Mai erst hatte er ein Konzert mit Igor Levit in der Berliner Philharmonie. Auch wenn er bereits in zahlreichen Konzertsälen aufgetreten ist, würde er gerne einmal im Berliner Pierre Boulez Saal spielen. Hier befindet sich die Bühne in der Mitte: „Das Publikum kann die Spielenden von jeder Seite aus sehen und hören. Das trifft auf unsere Musik zu: Wir betrachten die Dinge auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln.“ Unabhängig von dem gemeinsamen Projekt mit Becker träumt Krajenski schon lange davon, Filmmusik zu machen. Oder davon, dass die Band Tower of Power bei ihm anruft und fragt: „Hey Lutz, wir gehen auf Tour und suchen noch einen Organisten. Kommst du mit?“ „Das wäre so geil, dafür würde ich alles stehen und liegen lassen! Vielleicht schreibt mir Markus dann eine Entschuldigung“, lacht der Hochschullehrer. Aber auch das sei etwas, was er in den letzten 35 Jahren gelernt habe: dass Sachen passieren und dann sollen sie auch passieren. Und wenn nicht, hat das vielleicht seinen Grund, etwa vor einer Enttäuschung zu bewahren. 

Zu Hause zwischen den Noten

Becker und Krajenski

Ein gemeinsames Album ist bisher nicht entstanden: Eine Konzertidee ließe sich nicht vertonen, aber mit einem Thema, das sich durchzieht, etwa einem Komponisten, ginge das. Ein Album der beiden werde dann irgendwann plötzlich da sein. Krajenski veröffentlicht im September sein neues Soloalbum mit dem coolen Sound elektromagnetischer Hammondorgeln: „krajenski. B-3 Vol.2“. Becker wiederum hat Klavierkonzerte von CPE Bach aufgenommen. „Das ist Musik, die voller Überraschungen steckt.“ In den nächsten Jahren nimmt er zudem die gesamten Klaviersonaten von Joseph Haydn auf. 55 Stück. Wir können gespannt sein … 

Hannover ist ein Xylophon

Zuhause in Hannover

Ihre Heimatstadt beschreiben die beiden Künstler als eine versteckte Perle: „Würde ich Hannover einem Instrument zuordnen, wäre es ein Xylophon“, schlägt Krajenski vor: „Energetisch, vielseitig, manchmal unterschätzt, aber voller Charakter. Also ein Geheimtipp unter den Instrumenten.“ Becker stimmt zu: „Hannover ist eine Chor-Stadt, mit fantastischen Orchestern und einer lebendigen Rock- und Jazzszene. Hier zu leben und zu arbeiten, gibt uns die Möglichkeit, tief in die Musik einzutauchen und gleichzeitig Teil einer großen kulturellen Gemeinschaft zu sein.“ Die Musiker wünschen sich jedoch etwas mehr barocken Glanz: „Wir sind nicht lokalmasochistisch, aber übermäßig bescheiden“, findet Becker. Auch Krajenski hätten viele geraten, für die Karriere nach Hamburg, Köln oder Berlin zu gehen. Dann sage er immer: „Nein, ich bin hier und das ist großartig. Ich liebe Hannover!“ Becker lacht und ruft: „Genau das tue ich auch. Und deshalb haben wir uns gefunden.“ Dass sie der Stadt viel zu verdanken haben, darüber sind sich beide einig. Die musikalischen Kostproben, die wir erhalten haben, klingen noch lange nach dem Verlassen der Wohnung nach.

Gelungenes Zusammenspiel

Becker und Krajenski sind Klangarchitekten, die in der Lage sind, durch ihre Musik Brücken zwischen den Welten zu bauen, ganz gleich, ob auf der Bühne in Hannover oder darüber hinaus. Ihre Reise ist ein lebendiges Zeugnis dafür, wie Musik verbinden und die Herzen der Menschen erreichen kann.

Weitere Informationen über beide Musiker und ihr Konzert-Programm finden Sie auf den jeweiligen Webseiten. 

Lutz Krajenski

Lutz Krajenski im Studio

Von Tom Jones über Roger Cicero und Yvonne Catterfeld bis hin zu Jan Delay: Die Liste der Prominenz, mit denen der Virtuose an der Hammondorgel bereits nationale und internationale Erfolge feierte, ist lang. Ebenso lang wie die Liste seiner Auszeichnungen. Der heute 51-jährige Jazzmusiker und Klassik-Echo-Preisträger aus Hannover ist u. a. Bigband-Leader, musikalischer Direktor und Pianist. Nicht zuletzt unterrichtet er Klavier und Keyboards im Pop-Bereich an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover.
lutz-krajenski.de

Markus Becker

Markus Becker, in seiner Wohnung an der Markuskirche

Der Pianist ist mehrfacher Echo-Preisträger, er gewann den Opus Klassik für die Live-Aufnahme des Klavierkonzerts von Max Reger sowie zahlreiche Schallplattenpreise. Er musiziert mit bedeutsamen Orchestern wie den Berlinern Philharmonikern und ist Professor für Klavier-Kammermusik an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Auch mit seinen meisterhaften Jazz-Improvisationen sorgt der Virtuose für Furore: Dass Jazz und Klassik großartig harmonieren, zeigt er in Perfektion.
markusbecker-pianist.de


 

SCHON GEWUSST?
Die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover bietet nahezu an jedem Wochentag kostenfreie Konzerte an: 
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
Neues Haus 1, 30175 Hannover

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