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Interview mit Uli Stein

DER CARTOONIST UND TIERFOTOGRAF IST BEI SICH ANGEKOMMEN.

Die ruhige Straße in der Wedemark führt vorbei an großen Kiefern zu einem mit Efeu bewachsenen Haus mit hölzernen Fensterläden und Reetdach. Ein dreieckiges Schild am Straßenrand weist darauf hin, dass hier regelmäßig Eichhörnchen über die Schotterstraße flitzen. Der erfolgreichste Cartoonist Deutschlands öffnet mir die Tür. Er trägt einen schwarzen Hoodie und hellblaue Jeans. Wir duzen uns. Die weißen Wände sind von dunklen Holzbalken und -türen durchzogen. Von Uli Stein fotografierte Hunde blicken mir von großen Wandbildern interessiert entgegen. Wir setzen uns auf zwei Ledersofa, die sich im Wohnzimmer gegenüberstehen. Über gestapelte Magazine blicken wir durch die Fensterfront in den Garten, wo auf einem Tisch Walnüsse für die Eichhörnchen warten und eine Kamera aufgestellt ist, die nachts die Krähe einfangen soll. Uli Stein holt uns Kaffee in Tassen mit Reh- und Igelmotiven. Er lässt eine filterlose Zigarette durch die Hände gleiten, während wir sprechen.

Du hast elf Millionen Bücher verkauft, deine Cartoons haben es bis nach China und Korea geschafft. Wie kann man Humor übersetzen? Sind unsere Kulturen so ähnlich, dass wir die gleichen Dinge witzig finden?

Es war sehr schwer in China, weil der Kulturkreis so anders ist. Die haben dann gefragt: „Was ist das denn hier?" Das ist der Vater Tod. „Und was ist das?" Eine Sense. Damit konnten sie nichts anfangen. Aber alles mit Technik, Autos, Computer – das geht. Ich weiß auch gar nicht, ob es in China Cartoonisten gibt. Aber ich kann sagen: Ich habe ein Buch in China gemacht. (lacht) In europäischen Ländern ist das einfacher. Wir haben viel in Griechenland und Spanien gemacht. Nur Wortspiele gehen dann nicht. In einem Cartoon sagen zum Beispiel zwei Vögel zu ihrem Kind, in der Schule sei „Elsternsprechtag". So etwas kann man nicht übersetzen.

In anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Frankreich, sind Cartoons viel beliebter ...

Egal ob es Frankreich, Spanien oder England ist: Die haben selber einen Pool mit tollen Cartoonisten. Da haben die gerade noch auf einen Deutschen gewartet! Wo die Deutschen ja bekannt sind für ihren wahnsinnigen Humor! Klar, wir lesen etwas aus Frankreich. Aber der Weg von Deutschland nach Frankreich ist ganz schwer. Oder Amerika. Da haben wir es nur einmal mit Hängen und Würgen geschafft. Die haben so viele tolle Autoren und Comedians. Ich habe noch nie gehört, dass eine deutsche Comedyserie nach Amerika verkauft wurde. Egal ob Alf oder Al Bundy, es geht immer nur den Weg zu uns.

Wie angesehen waren Cartoons zu der Zeit, als du damit anfingst?

Gar nicht. Das war Schundliteratur. Cartoons hatten keinen großen Stellenwert. Aber mit der Zeit hat sich das gewandelt. Hattest du Angst, dich ganz darauf zu fokussieren? Nein, ich habe nebenbei ja auch noch geschrieben und fotografiert. Ich war nie in Sorge, dass es nicht klappen könnte. Ich dachte: „Wird schon werden!" Ich habe mich nicht gestresst, auch wenn es langsam anlief.

Du hast vorher als freier Journalist und Fotograf gearbeitet – wie bist du überhaupt zum Cartoon gekommen?

Ich habe Zeichnen nie gelernt und erst Mitte der 70er-Jahre damit angefangen. Ich habe viel geschrieben und dachte, es ist spannend, wenn man eine Geschichte in einem einzigen Bild zusammenfasst. Die ersten Jahre habe ich nur zwei Striche mit zwei Köpfen gezeichnet, das hat gereicht, der Text interessierte, Proportionen waren egal. Irgendwann hab' ich gemerkt, dass mir das Zeichnen eigentlich mehr Spaß macht als das Schreiben. Schreiben ist mühsam. Damals gab es noch Schreibmaschinen und dann hat man sich vertippt und musste mit Tipp-Ex ran.

Wann bist du dann richtig durchgestartet?

Anfang der 80er ging es so richtig los mit den Cartoons, da habe ich auch schon besser gezeichnet. Mein allererstes Buch erschien 1983, „Ach du dicker Hund", ein Buch mit Hundecartoons, mein zweites Buch war schon „Leicht behämmert", das waren Erfindungen von mir. Ich habe lange Zeit für die Seite 7 der „freundin" gezeichnet. Später habe ich gedacht: Eigentlich ist es viel schöner, wenn man es bastelt und dann fotografiert, weil das authentischer ist.

Bekannt bist du vor allem für deine Tiercharaktere. Welcher ist dein Liebling?

Meine Mäuse waren schon immer meine Favoriten. So viele verschiedene Tiere gab es gar nicht: Mäuse, Schweine, Pinguine, Frösche, Geier, Hunde und Katzen. Und das Paar Erwin und Martha. Viele meinten: „Sie haben doch gar keine Katzen! Wie kann man denn ein Buch über Katzen machen, ohne welche zu haben?" Oder: „Kinder und Enkel – das haben Sie doch alles nicht!" Das muss man sich dann ausdenken.

Bist du eher ein Beobachter von Situationen?

Ich vermute es mal, irgendwo muss es ja herkommen. Also, es ist nicht so, dass ich bei Aldi an der Kasse stehe und der Frau vor mir fallen die Eier herunter und ich denke: „Oh, das merk ich mir, das zeichne ich!" Aber ich glaube schon, dass man im Laufe des Tages eine Menge aufnimmt und wenn man abends vor dem leeren Blatt sitzt, denkt man daran. Ich kenne viele Leute, die gehen bewusst mit offenen Augen durch die Welt und sammeln Eindrücke. Das mache ich nicht, ich lebe ganz normal.

„Abends vor dem leeren Blatt sitzen" ... Das heißt, du arbeitest eher abends?
Eigentlich arbeite ich den ganzen Tag. Tagsüber lenken zu viele andere Sachen ab: E-Mails und Whats- App und Telefon ... und Interviewer und Fotografen, die einen nerven. (lacht) Tagsüber mache ich eher die handwerklichen Arbeiten. Wenn ich mir etwas ausdenke, dann brauche ich komplette Ruhe, ohne Radio, ohne Telefon. Dann steige ich ein in eine andere Welt. „Was wäre, wenn ..." – das ist mein Ausgangspunkt. Manchmal gibt der Verlag schon ein Thema vor wie zum Beispiel Autofahren. Ansonsten gucke ich, was kommt.

Zeichnest du noch heute deine bekannten Comics?

Ich zeichne noch, aber weniger als früher. Es ist nach 45 Jahren auch nicht mehr so spannend.

Nerven sie dich auch manchmal?

Nee, so schlimm ist es nicht. Genervt hat es mich nie. Auch früher, wenn der Verlag abends angerufen hat und meinte: „Wir brauchen ganz dringend einen Cartoon. Können wir den bis morgen kriegen?" Klar. Damals gab es ja keine E-Mails. Da mussten wir alles auf Papier zeichnen, in einen Umschlag tun, abends zur Hauptpost fahren und es per Eilboten in den Briefkasten einwerfen. Das hat mich aber nie gestört.

Ende der 80er warst du auch eine Zeitlang in den USA ...

Ja, ich war fünf Jahre lang in den USA. Das ist wirklich ein tolles Land und ich habe da nur herzliche und hilfsbereite Menschen kennengelernt. Ich bin immer ein paar Monate in Amerika geblieben und im Sommer wieder hergekommen. So ganz weg sein wollte ich auch nicht. Irgendwann habe ich gemerkt, die Zeit, die ich in den USA bin, wird immer kürzer und kürzer. Und dann rechnete sich das nicht, allein die Steuern für das Haus in Florida fressen einen auf. Außerdem muss die Klimaanlage da rund um die Uhr durchlaufen, das ganze Jahr. Das war kein Schnäppchen. Dann habe ich gedacht: Wenn ich mal wieder hin will, kann ich auch ein Hotel nehmen und wieder zurückkommen. Hab's auch nicht bereut. Denke oft noch dran, war eine schöne Zeit. Aber meine Freunde waren alle hier. Ein kleiner Freundeskreis – nicht viele, aber sehr intensiv. Und meine Mitarbeiterin saß sonst hier ganz allein im Haus. Ich bin froh, dass ich wieder hier bin. In meiner geliebten Wedemark.

Seit wann wohnst du hier?

Ich bin jetzt seit 30 Jahren hier. Das Haus hatte jemand vor mir erworben und mit ganz viel Liebe wiederhergerichtet und als es fertig war, wurde er nach Süddeutschland versetzt. Dann habe ich es gekauft. Es ist ein ziemlich altes Haus. In den Wänden ist noch Stroh und ab und zu höre ich da auch mal die Mäuse.

Was gefällt dir hier?

Ich bin hier richtig gern und habe meine Rituale – zum Beispiel einen kleinen Italiener in Bissendorf, da bin ich jeden Abend, manchmal mehrmals täglich. Vormittags oder mittags zum Cappuccino und abends dann zum Essen. Da gibt es sogar ein kleines Tischchen, das 24 Stunden am Tag für mich reserviert ist. Nach den ganzen Jahren fühlt es sich an wie Familie.

Wo fühlst du dich heimisch?

In den Alpen könnte ich mich nie heimisch fühlen. Vielleicht an der See. Das könnte ich mir vorstellen, aber das braucht auch seine Zeit. Ich liebe Wasser. Ich muss nicht rein, ich muss nicht drauf, aber am Wasser sein und gucken. Hier fühle ich mich in meinem Umkreis von 20, 30 Kilometern heimisch. Keine Stadt!

Direkt in der Stadt Hannover bist du auch nicht so oft?

Doch klar, so zweimal im Jahr! (lacht) Es soll nichts gegen Hannover sein, es ist eine bunte, lebenswerte, grüne Stadt. Aber mir reicht es schon die Male, wenn ich zu meinem Fotogeschäft am Aegi muss. Wenn ich wieder rausfahre, entspanne ich mich ab Langenhagen und bin froh, wenn ich wieder auf dem Land bin.

Seit einigen Jahren fotografierst du sehr viel. Hast du die Hunde für deinen Kalender 2020 hier aufgenommen?

Ja genau. Ich habe hier in meinem Studio schon mehr als 500 Hunde fotografiert. Das macht so viel Spaß. Jeder Hund hat einen anderen Charakter. Es ist gar nicht so einfach sie zu fotografieren, weil sie nie still bleiben. (Er krabbelt auf der schwarzen Studioplane in der einen Ecke des Wohnzimmers herum und zeigt, wie ein zu fotografierender Hund herumtobt und wie schwierig es ist, eine ruhige Millisekunde einzufangen).

Du bist ein richtiger Hundefan ...

Ja!

Woher kommt das?

Ich war schon immer tierlieb. Ich selbst habe keinen Hund, weil ich allein lebe. Aber meine Mitarbeiterin bringt ihre Hunde morgens immer mit, eine englische Bulldogge und eine Continental Bulldogge. Die sind ordentlich auf Trab.

Wie kam die Idee für die Gründung deiner Stiftung für Tiere in Not?

Durch die Hundefotografie habe ich mit vielen Besitzern gesprochen. Mehr als die Hälfte der Hunde kamen nicht aus einer Zucht, sondern aus dem Tierschutz, viele aus dem Ausland. Es gibt unzählige kleine Vereine, die sich mit viel Leidenschaft engagieren. Das hat mich beeindruckt. Alle Hunde und Katzen müssen kastriert werden und die meisten aufgegriffenen Streuner sind krank. Da kam mir die Idee, eine Stiftung zu gründen, die den ganzen kleinen Vereinen unter die Arme greift.

2019 war euer erstes Jahr. Wie lief es?

Es war ein tolles Jahr. Am schönsten ist es immer, wenn wir Dankesschreiben bekommen und die Bilder sehen, wie geholfen wurde. Dieses Jahr will ich mich noch mehr um die Stiftung kümmern!

Vielen Dank für das Gespräch!

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